Wenn der Südpol ganz im Norden ist...

Ein Witz aus dem Norden Deutschlands beginnt so: „Wo ist man, wenn der Südwind von Norden kommt?“ Ein ähnliche Frage wäre folgende: „Wann ist der Südpol ganz im Norden?“

Ein paar banale Eckdaten vorab: Die Erde ist rund (sic!). Sie dreht sich („...doch!“; Galileo Galilei) – und zwar nicht nur um unsere Sonne, sondern auch um sich selbst. Und „unser“ Erdinneres besteht unter anderem aus einer Menge teils flüssigem Metall. Und diese letzten beiden Punkte, Erdkern aus flüssigem Metall und die Drehung um sich selbst, machen die Erde zu einem Magneten, einem großen Geodynamo.

Alles (eigentlich gar nicht so) simple Fakten, aber entscheidend für unser aller Leben. Das Magnetfeld, das unser Erd-Dynamo erzeugt, schützt uns vor gefährlichen Strahlungen aus dem Weltall, so z.B. vor den Sonnenwinden – eine Folge dieses Schutzes können wir unter anderem als die Phänomene der wunderschönen Nordlichter und Südlichter wahrnehmen.

Aber es gibt noch eine Vielzahl anderer Effekte, die das Magnetfeld mit sich bringt, um nur ein paar zu nennen:

  • Einige Tiere wie Bienen oder Zugvögel haben einen Magnetsinn und orientieren sich am Erdmagnetfeld; wahrscheinlich verfügen sogar Hunde über einen Magnetsinn, denn es scheint als würden sie ihr „Geschäft machen“ am Magnetfeld ausrichten.

  • Es wird ein Zusammenhang zwischen der globalen Mitteltemperatur und Veränderungen des Magnetfelds vermutet.

  • Und natürlich ist unsere moderne Orientierung, angefangen vom Kompass bis zum GPS abhängig von diesem Magnetfeld.

Jeder kennt die Funktionsweise eines Kompass: Die Nadel zeigt nach Norden. Zum Nordpol genauer gesagt. Aber welchem Nordpol eigentlich? Es gibt nämlich drei: den geographischen Nordpol, den arktischen Nordpol und den arktisch geomagnetischen Nordpol. Wie der Name vermuten lässt ist es der zuletzt genannte, der arktisch geomagnetische Nordpol, zu dem alle Kompassnadeln zeigen. Nur ist der Nordpol leider kein Nordpol. Sondern ein Südpol – also im physikalischen Sinne. Die Namensverwirrung ist zum Glück schnell erklärt: Bei Magneten ziehen sich Nord- und Südpol an. Die Nordnadel am Kompass wird also vom physikalischen Südpol der Erde angezogen. Und dieser Südpol ist halt am Nordpol. Um ein Idol meiner Kindheit zu zitieren: „Klingt komisch, ist aber so!“

Unsere Kompasse zeigen also zum Südpol nach Norden, mit dieser sprachlichen Verwirrung kann ich leben, es gibt größere offene Fragen in meinem Leben (…). Aber jetzt steht uns – also der Erde – etwas bevor, dass sprichwörtlich alles auf den Kopf stellen würde: Ein Polsprung. Ein Wechsel der magnetischen Pole unserer Erde.

Aber der Reihe nach: Das Magnetfeld der Erde ist ständig Veränderungen unterworfen. Über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinweg wird es an einigen Stellen der Erde mal schwächer, mal stärker. Und auch die Pole selbst wandern. Oh ja, das hätte zur kompletten Verwirrung noch weiter vorne erwähnt werden sollen: Die Kompassnadeln zeigen nach Norden zum physikalischen Südpol, genannt arktisch geomagnetischer Nordpol, – und dieser wandert. Also natürlich nicht der geographische Nordpol, der auf Karten und Globen eingezeichnet ist, der bleibt schon an seinem Platz, sondern der Südpol, den wir Nordpol nennen. Und zwar das schon… seit es ihn gibt. Die flüssigen Metallströme, die immer wieder von dem heißen Erdkern ausgehen und in Verbindung mit der Erddrehung das Magnetfeld entstehen lassen, führen auch immer wieder zu einem sich verändernden Magnetfeld, in dem die Pole wandern. Und das teils ziemlich erratisch. In dem Bild rechts kann man sehen wie sich der arktische Magnetpol in den letzten Jahrhunderten bewegt hat:

 

Wir wissen also, dass unser Magnetfeld ständigen Veränderungen unterworfen ist. Und Beobachtungen zeigen, dass der Pol immer schneller „wandert“. Vor knapp 100 Jahren hat er sich noch mit knapp 16 Kilometer pro Jahr bewegt, heute „rast“ er mit ca. 55 Kilometer pro Jahr „herum“. Messungen deuten letztlich auf ein Ereignis hin: Ein Polsprung könnte der Erde bevorstehen, also eine komplette Umkehr unseres Magnetfeldes um 180 Grad. Nordpol wird zu Südpol und Südpol zu Nordpol.

Um die Dramatik direkt wieder zu entkräften: Das ist nichts ungewöhnliches. Aus paläomagnetischen Funden (eisenhaltige Mineralien aus Vulkanausbrüchen) wissen wir, dass im Schnitt alle 200.000 bis 300.000 Jahre das Magnetfeld der Erde sich umkehrt – zumindest in den letzten 20 Millionen Jahren. Der letzte gemessene Polsprung liegt aber schon 780.000 Jahre zurück, sprich der nächste ist ein paar hunderttausend Jahre überfällig. Vor knapp 41.000 Jahren gab es zwar einen „kleinen Polsprung“, dieser hielt aber nur knapp 1000 Jahre an.

Ein weiterer Indikator für einen Polsprung oder Polwechsel ist, dass das Erdmagnetfeld sich schon seit einiger Zeit destabilisiert, also schwächer wird. Wenn die Feldstärke sich im gleichen Tempo weiter verringert, wird sie in ca. 1800 Jahren so schwach sein, dass sich weitere Pole bilden werden – wir werden dann vier oder vielleicht sogar acht Magnetpole haben. Die Folgen lassen sich nur abschätzen, werden aber wohl nicht zu dramatisch sein:

  • Ein Navigieren mit Kompass wird unmöglich sein.

  • Zugvögel und andere Tiere werden wohl Orientierungsprobleme haben.

  • Durch eine geringere Feldstärke wird mehr kosmische Strahlung in unsere Atmosphäre gelangen und es könnte auch so zu Klimaveränderungen kommen.

  • Gesundheitliche Folgen für Fauna und Flora sind hingegen eher nicht zu erwarten, der Großteil der gefährlichen Strahlung wird wahrscheinlich durch die Atmosphäre abgefangen werden.

Wenn diese Störung dann wieder verschwindet, werden auch die zusätzlichen Pole verschwinden unser Magnetfeld hat sich wieder stabilisiert. Und wir haben wieder zwei Pole. Aber eben um 180 Grad vertauscht: Dann ist endlich der Nordpol auch am Nordpol und der Südpol am Südpol.

Und um noch eine Antwort auf den norddeutschen Witz vom Anfang zu liefern: „Wo ist man, wenn der Südwind von Norden kommt?“ Auf Juist, der ostfriesischen Insel. Denn etwas weiter südlich von Juist liegt am Festland die Stadt Norden – und von da bläst oft ein kalter Wind...

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