GASTBEITRAG: Studienreise nach Sizilien Teil 3

 

GASTBEITRAG: Studienreise nach Sizilien mit dem Bildungswerk Rheinhausen im März 2019 - Teil 3

Am nächsten Morgen ein Blick aufs Meer und siehe da, die Kreuzfahrer vom Tag zuvor (die man überall in Palermo an den farbigen Tafeln mit Nummern drauf – von 1 bis 20 – erkannt hatte, zogen weiter zu ihrem nächsten Highlight.

 Di morgen 9:00 ist Abfahrt. Quer durch Palermo, dann weg von der Autobahn den Berg hoch, immer weiter, die Straße wird steiler, die Kurven enger bis der Fahrer überraschend auf einen kleinen Parkplatz einbiegt. Wir sind oben über dem Hafen von Alcamo mit weitem Blick auf das Tyrrhenische Meer. Auf dem Weg zum Aussichtspunkt steht ein altes, etwas verbeultes Auto, ein alter Mann verkauft aus dem Kofferraum heraus hübsche selbstgemachte kleine Kunstwerke. Sargent hat uns im Bus vorgewarnt. Bitte nicht fotografieren. Der Alte kann richtig sauer werden, wenn man sein altes Auto aufnimmt. Wir halten uns daran und fotografieren dann vorsichtig, wenn er in eine andere Richtung schaut. Der Platz heißt „Belvedere“, ist auch ein schöner Aussichtspunkt zum Hafen von Alcamo, der Stadt und das Meer. Da oben ist es schon recht eng, direkt vom Parkplatz raus und nach links runterfahren geht nicht. Erst etwa einen km weiterfahren und dort wenden und dann im kleinen Gang wieder die Serpentinen den Berg runter.

 Weiter geht’s nach Segesta. Parken, auf die Toilette gehen, solange Sargent die Billets kauft, dann schön abgezählt den Berg hoch, einen steinigen Weg gesäumt von Agaven, etwas mühsam. Dann sehen wir den Tempel. Schon der äußere Eindruck zeigt, dass sich die Erbauer keine allzu große Mühe gemacht haben, der Tempel sieht aus wie ein nicht fertig gestellter Rohbau. Säulen und Kapitele unverputzt*, die Fundamente der Säulen noch roh, die Vorsprünge, mit denen die Säulen hochgezogen werden sind alle noch dran und vor allem, dass Allerheiligste fehlt. Sargent meinte, das hätten die Erbauer gar nicht vorgehabt zu bauen, denn nachträglich, zwischen den Säulen durch könne man die Teile des inneren Hauses, dem Haus der Götter, gar nicht transportieren. Dann war das gar kein Tempel? Denn ohne Haus für die Götter ist ein Tempel kein Tempel. Das Innere eines Tempels darf ja nur ein Priester betreten, d.h. durch die Säulen hindurch darf kein normaler Mensch gehen. Aber wenn hinter den Säulen nichts ist?

 * Die Säulen der Tempel sind normalerweise verputzt, es ist ein steinharten Kalkputz, hab versucht ein Stück abzubrechen, ging nicht. Die Säulen sollen nach neuesten Untersuchungen auch farbig bemalt gewesen sein.


 Segesta-Tempel

Sargent meinte, die wahrscheinlichste Theorie wäre, dieser Tempel ist ein Fake. Der Tempel wurde in der Zeit der peloponnesischen Kriege gebaut. Die Leute hier waren keine Griechen, hatten wohl auch wenig Ahnung von den griechischen Göttern und ihren Tempeln. Hier wohnten die Elymer, die eigentlichen Sizilianer (die „Ureinwohner“). Sie mussten ihr fruchtbares Kleinod immer mit jemandem teilen, zuerst mit den Griechen, dann mit Griechen und Karthagern und später mit den Römern und danach mit den Spaniern. Die ersten Einwanderer waren wohl Troer, die nach dem gegen die Griechen verlorenen Krieg nach Rom und parallel hierher gezogen sind.

 

Die Leute von Segesta wollten den Syrakusern, die es mit Sparte hielten zeigen, dass sie auf ihrer Seite standen, indem sie einen fake-dorischen Tempel bauten. Heimlich stifteten sie aber die Athener an, Syrakus anzugreifen. Dies taten die Athener auch, aber das ging total schief. Das Ergebnis waren viele zigtausend Tote und 40000 Athener, welche nun in den Steinbrüchen von Sparta schuften mussten. Das muss den Spartanern so gefallen haben, dass sie weitere Streitereien anfingen, um ihre Steinbrüche am Laufen zu halten.

 Seitdem steht der Tempel von Segesta in beschaulicher Landschaft und wartet auf Touristen, zu mehr taugt er nicht.

 Mit dem Bus. Nein nicht mit unserem Bus, sondern mit einem Shuttle-Bus fuhren wir vom Tempel zu der etwa 2 km entfernten Stadt und ihrem Amphitheater, hoch auf einem Hügel liegend.

 Kaum war ich im Bus – wir saßen wie immer auf der hinteren Bank – bekam ich einen fürchterlichen Hustenanfall. Der Husten ließ die ganze Zeit während der Besichtigung des schönen alten Steinhaufens von einem Amphitheater nicht nach. Deshalb sollte ich auch nicht die Steintreppen da runter steigen. Heute bin ich sicher, dass der Fahrer des Shuttle-Bus während der langen Pausen da auf dem Rücksitz sein Hasch-Pfeifchen geraucht hat.

 Das Amphitheater ist sehr schön in einen Berghang eingebettet mit weitem Blick ins Tal. Auf der Rückseite des Theaters, oben am Hang sieht man noch die Reste der alten Stadt Segesta. Stadt und Theater gehören zusammen, von der Stadt aus ein paar Schritte zum Theater mit Blick auf das weite Tal mit den fruchtbaren Feldern. Deshalb ist es schon seltsam, dass abseits, von Stadt und Theater nicht zu sehen, viel tiefer liegend, dieser Tempel steht. Bei den Griechen steht die Akropolis immer auf dem höchsten Punkt über der Stadt.

 Segesta-Amphitheater

Dann ging es weiter zum Mittagessen in den landwirtschaftlichen Betrieb Case di Latomie. Brot, dann Antipasti, mit Pilzen, Artischocken, Paprika mit viel Öl. Und Rotwein in Karaffen, die schnell leer wurden und genauso schnell wieder nachgefüllt wurden. Dann ein Nudelgericht und dann verschiedene kleine Fleischstückchen zum Hauptgang, die waren gut, aber nach diesen super Antipasti kann ich mich an nicht mehr viel erinnern. Und ein köstliches Dessert zum Nachtisch. Das hat uns doch fast mit dem Abendessen im Hotel versöhnt.

 Dieser landwirtschaftliche Betrieb hat eine eigene offensichtlich moderne Ölmühle und rings herum kilometerweit Olivenbäume.

 Weiter ging es nach Selinunt, dieser westlichsten Siedlung der Griechen in einer so fruchtbaren und reichen Gegend Siziliens, dass sich die Bewohner einen riesigen Tempelbezirk leisten konnten. Dieser war so streng rechtwinklig angelegt, dass man die ordnende Hand von ordentlichen Beamten geradezu sehen konnte. Rechtwinklig kreuzende Wege mit genormten Spurrillen für die Wagenräder, ähnlich sieht man dies in Pompeij. Die Tempel waren alle miteinander riesig. Heute ist nur noch ein Haufen Riesen-Klötze übrig und ein paar aus den Ruinen wiederaufgebaute Tempel, keiner vollständig, nur um zu sehen, wie sie etwa aussahen.

 Selinunt-TempelSaule-Selinunt

Sargent erzählte, wie sie bei einem dieser Grabungen eine dieser recht hohen Säulen hinaufgekletterte, ihrem Betreuer hinterher, von oben zu betrachten, was übrig geblieben ist von dieser stolzen und reichen Städte, ein Kuss, vergänglich wie diese Tempel. Der Abstieg von der Säule war wohl schwieriger.

 Nach der Geschichte soll Selinunt von den Karthagern angegriffen und nach ein paar Tagen erobert und zerstört worden sein. Zig tausend Tote und der Rest ab in die Sklaverei. Wer die Karthager bedauert, als ihre Stadt auf das ewige Drängen Catos schließlich völlig zerstört wurde, sollte an Selinunt denken. Diese Stadt wurde von den Karthagern zerstört, weil sie die Vormachtstellung Karthagos im westlichen Mittelmeer in Frage stellte und weil sie reich war und dies sehr stolz auch zeigte.

 Überhaupt Karthago, selbstbewusst, lange Zeit absolut dominante Seemacht, ihr Ursprünge haben sie im Libanon. Elefanten über die Alpen! Heute kaum vorstellbar, damals ohne befestigte Straßen über Geröllhalden und eisige Pässe eigentlich unvorstellbar. Der einzige Vergleich der mir einfällt ist die erste Landung von Menschen auf dem Mond. Mit der Saturn 5, bis heute die größte Monster-Rakete die es je gab. Zig Tonnen Wasser mussten den Höllenfurz kühlen, damit der eigene Lärm sie nicht selbst zerstörte. So ähnlich stelle ich mir es vor als die Karthager mit ihren Elefanten über die Alpen zogen.

 Nach der Vernichtung durch die Karthager wurde Selinunt schließlich durch ein furchtbares Erdbeben völlig verwüstet. Bei diesem Erdbeben blieb tatsächlich kein Stein auf dem anderen. Warum baut man seine Stadt auch auf die Bruchkante der afrikanischen und der eurasischen Platte? Der Tempel der Elymer in Segesta und ihr Amphitheater, die Tempel von Agrigent blieben alle erhalten.

 Weiter ging es nach Agrigent. Draußen war ein heftiger Sturm, die Wolken flogen nur so dahin, die Windräder waren entweder abgestellt und aus dem Wind gedreht oder sie fuhren mit höchster Leistung. Wir kamen durch Corleone. Frank Sinatras Familie stammt aus Corleone. Sargent meinte, die Entwicklung der Mafia hänge auch damit zusammen, dass die römische Zentralregierung Süditalien und Sizilien sich selbst überließ. Reine Landwirtschaft ohne Industrie und wenig Tourismus waren nicht in, sollen sehen wie sie zurechtkommen. Dieses Machtvakuum füllte die Mafia aus.

 In Agrigent sollten wir nach Plan am Strand bummeln. Aber um diese Zeit war an der Strandpromenade nichts los, Sargents Vorschlag, wir gehen direkt ins Hotel. Protest, nein, wir wollen ans Meer. Ja, ein bisschen Sylt brauchen wir schon ab und zu. Dann zurück zur Promenade. Zwei Kneipen hatten offen und hatten Espresso. Es war sehr nett dort. Vom Hotel blieb außer dem hübschen Eingang und der verwinkelten Bar nichts in Erinnerung.

 Ein halber Tag Agrigent ist eigentlich zu wenig. Die Tempelanlagen sind riesig, jeder halbwegs wichtige Gott erhielt seinen Tempel, dann die Stadtmauer, die später als Friedhof mit Gräbern in der Mauer verwendet wurde. Um alle gut erhaltenen Tempel besuchen zu können und etwas zu verweilen bräuchte man mindestens 2 Tage. Ein paar von uns sind am späten Nachmittag noch in die Stadt gegangen, haben wir nicht geschafft. Die Akropolis, am höchsten Punkt der Stadt fehlt, sie wurde später einfach überbaut, da steht jetzt die heutige Stadt.

 Tempel-AgrigentStatue-Agrigent

Eine interessante Ziegenrasse, gibt es nur hier. Eine schöne Villa, ein gestrandeter Ikarus, schöne Statuen, die Gräber in der Stadtmauer, sollte man alles in Ruhe nochmals anschauen. Einer der Tempel war besonders gut erhalten, er wurde über lange Zeit als katholische Kirche verwendet, waren keine besonderen Umbauten nötig.

 Stadtmauer-Agrigent

Eine interessante Ziegenrasse, gibt es nur hier. Eine schöne Villa, ein gestrandeter Ikarus, schöne Statuen, die Gräber in der Stadtmauer, sollte man alles in Ruhe nochmals anschauen. Man kann in Sizilien ähnlich viele alte griechische Tempel anschauen wie in Griechenland (manche behaupten: mehr). Abends werden die Tempel beleuchtet, sehr schön. Wir fuhren mit einem Bus abends diese beleuchteten Tempel entlang, beeindruckend!

 Es ging dann weiter zur Villa del Casale. Eine äußerst prunkvolle römische Villa, die deshalb so gut erhalten blieb, weil der Berghang über ihr abrutschte und sie zuschüttete. So etwas soll in dieser Gegend öfters mal vorkommen. Man hat diese Villa nur durch Zufall wieder gefunden und dann ausgegraben. Prächtig wie keine sonst bekannte römische Villa. Sargent meinte, es sei nicht bekannt, wer dort wohnte, in keinen Unterlagen aus jener Zeit sei die Villa vermerkt. Dies sei sehr ungewöhnlich, denn es sei sicher, dass diese Villa einer sehr bedeutenden Persönlichkeit gehört habe und über die hätte es garantiert Aufzeichnungen gegeben. Vermutet wird, dass Maximian (Cäsar und Augustus unter Diokletian) dort seine Familie versteckte um sie zu schützen. Die Lebenserwartung für führende politische Persönlichkeiten war zu jener Zeit nicht besonders hoch.

 Die Pracht dieser Villa lässt keinen anderen Schluss zu, als dass der Besitzer zu der damals führenden Schicht gehörte. Alles was das Leben lebenswert macht, ist in den Mosaiken dargestellt.

Villa-del-Casale3

 Villa-del-Casale2Villa-del-Casale1

Auch für diese Villa war die Zeit sehr kurz. Es ist eine sehr große Anlage mit geschmückten Aufenthaltsräumen, Schlafräumen, Gemeinschaftstoiletten, Kinderzimmern, Baderäumen, vieles, was man in einem Durchgang gar nicht erfassen kann.

 Natürlich, der Weg vom Vorplatz zu der Villa war gesäumt von Verkaufsbuden für alles. Alles! Wilma brachte von dort einen Zitronenbohrer zum Auspressen von Zitronen mit. Für mich war die Flagge Siziliens drin.

 Dann ging es weiter zu unserem Hotel Mereneve in Lingualossa am Hang des Ätna, direkt an einer Lavazunge von 2005. 

 

 

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